Ein Offener Brief an die Georgier

 

Beobachtungen eines Ausländers bezüglich den Gespannten Beziehungen zwischen den Abchasen und den Georgiern

 

Am 5. Mai 1989 fand an der Londoner Universität "School of Oriental and African Studies" der zweite Studientag zu Georgien   statt. Als Dozent in Kaukasischen Sprachen wurde ich gebeten, an der Konferenz teilzunehmen. Ich sagte zu und entschied mich dafür, den Artikel zu lesen, den ich anlässlich des 70. Jahrestags der Gründung der Universität in Tbilisi (Tiflis) abgeliefert hätte, hätte ich in dieser Zeit die Möglichkeit gehabt  nach Tbilisi zu kommen . Aber nach den tragischen Vorfällen des 9. April (für die meine Frau und ich allen Verwandten und Freunden derer die getötet und verwundet wurden unsere tiefste Sympathie ausdrücken wollen), und in Anbetracht des gegenwärtigen Zustands, überdachte ich mein Vorhaben und drückte gerade jene Gedanken aus, die ich jetzt  mit Ihnen, den Lesern dieses Briefes teilen möchte.

 

Vielleicht fragen sich viele von Ihnen, wer dieser Engländer sein könnte, der es gewagt hat, Ihnen zum Thema dieses außergewöhnlich bitteren Problems einen Vortrag zu halten. Lassen Sie mich einige Dinge über mich selbst erklären, und dann werden Sie merken, warum ich diese riskante Mission auf mich genommen habe. Ich kam zum ersten mal im Jahre 1975 nach Tbilisi, um georgisch zu lernen. Wenn wir alle Monate zusammenzählen, die ich  in den letzten 14 Jahren in Georgien verbracht habe, kommt man auf eine Summe von 3 Jahren - mit anderen Worten, ich habe nicht wenig Erfahrung, wenn es um georgisch und die Georgier geht. Was meine Berufsposition angeht, ich habe den einzigen akademischen Posten in Großbritannien inne, der dem Georgischen und den Kaukasischen Sprachen gewidmet ist. Einer meiner Vorgesetzten bat mich vor kurzem, eine neue Grammatik des Georgischen zu schreiben, die in ungefähr 5 Jahren in einer neuen, den östlichen Sprachen gewidmeten Reihe  in den Niederlanden veröffentlicht werden soll; und ich sammelte bereits Material für eine Grammatik des Mengrelischen. Aber es sind nicht nur die Kartvelischen (Georgischen) Sprachen, die das Zentrum meiner Aufmerksamkeit sind. 1976 heiratete ich Zaira Khiba, eine Abchasin aus Ochamchira, und, als ein Sprachwissenschaftler  nutzte ich es aus, eine abchasisch Sprecherin in England zu haben, mit dem Resultat, dass meine Grammatik des Abchasischen 1979 in den Niederlanden erschien, und meine Doktorabhandlung , die 1987 in Deutschland erschien, verglich georgische und abchasische Nebensätze vom Gesichtspunkt der Syntax. Ende 1987, während ich eine 5-monatige Studienerlaubnis in Georgien verbrachte, bereitete ich auch einen Vortrag mit dem Titel   "Sprachplanung in Georgien (besonders während der sowjetischen Periode)" vor, obwohl ich hauptsächlich am Mengrelischen arbeitete - dieser Artikel wird im Herbst als ein Kapitel in einem Buch, dessen Titel "Sprachplanung in der UdSSR" ist, veröffentlicht. Ich glaube es war während ich diesen Vortrag vorbereitete, als ich auf eine Quelle der gegenwärtigen Schwierigkeiten zwischen den Georgiern und dem Abchasen stieß, und, wenn ich recht habe, ist die gewünschte Lösung extrem einfach - aber es wird Großmut und Selbstbeherrschung seitens der Georgier verlangen.

 

Damit niemand beginnt misstrauisch über meine Motive diesen Brief zu schreiben zu werden , will ich Ihnen aufzeigen, was am 150. Geburtstagstag von Ilia Chavchavadze in Tbilisi 1987 geschah, damit Ihnen klar wird, in welchem Maße  ich die georgische Sprache unterstütze. Sie werden sich erinnern, dass das internationale Symposium im Grunde auf russisch geführt wurde. Das überraschte und regte mich so sehr an, dass ich meine Rede in der Philharmonischen Halle mit einem Antrag in etwa wie folgt beendet hätte: "Wenn jemals wieder solch eine Konferenz auf georgischem Boden stattfindet, muss man hoffen, dass sich der Organisationsausschuss großzügig verhalten wird, und dass der georgischen Sprache der Ehrentitel der "internationalen Sprache" verliehen wird!" Jedoch  löschte mich Patiashvili unbeabsichtigt aus der Liste der Sprecher (er hatte  keine vorherige Kenntnis des Inhalts meiner Rede), und, als ich auf später, auf  die Bitte einer gewissen Person hin, meine Rede für eine Veröffentlichung im "Literarischen Georgien" schrieb, weigerten sich die Herausgeber der Augustausgabe der  Zeitung es genau wegen dieser Schlusswörter zu drucken! Und so glaube ich, ich habe das Recht Sie zu bitten, das georgische Sprichwort "Kritisiere Deinen Freund ins Gesicht hinein, Deinen Feind hinter seinem Rücken" nicht zu vergessen, während Sie diesen Brief lesen.

 

Zuallererst möchte ich erklären, dass sowohl meine Frau als auch ich  heftig entgegengesetzt zu dem Aufruf in  Lykhny stehen, der für die abchasische Unabhängigkeit von Georgien aufrief, genau wie zu den anderen Vorfällen, die in Abchasien stattgefunden haben, die vor kurzem die georgischen Leute so wachgerüttelt haben. Und doch muss auch gesagt werden, dass der Ruf für eine abchasische Unabhängigkeit, der zuerst 1978 ein Streitpunkt war ziemlich verständlich ist. Um Ihnen die Wahrheit zu sagen, ich erwartete, dass es geschehen wird, nachdem ich gewisse Artikel las, die ende 1988 im "Literarischen Georgien" veröffentlicht wurden, z.B. Tariel Kvanchilashvilis schmachvoller Artikel "Was wird dann sein?" (Am 30. September) in dem  sich der Autor über die hohe Geburtenrate von gewissen Völkern nicht-kartvelischen Ursprungs, die in Georgien leben beklagt, und im Vorbeigehen erwähnt er die Schließungen von georgischen Schulen, die in Abchasien und Südossetien nach dem Tod Stalins stattfanden. Ich bitte Sie eindringlichst, sich aufmerksam die weise und ruhige Antwort zu diesem unwürdigen Artikel zu lesen, die Napi Dzhusoiti im "Literarischen Georgien" am 9. Dezember veröffentlichte. Am 4. November wurde "Das Staatsprogramm für die georgische Sprache gedruckt" in dem geschrieben wird, dass georgisch ein obligatorisches Studienthema  in allen Schulen Georgiens sein soll. Tengiz Sharmanashvili und Kaxa Gabunia erklärten uns damals, ihrer Meinung nach verlange wahrer Internationalismus Respekt und eine elementare Kenntnis des Georgischen der Vertreter aller nicht-kartvelischen Völker, die in Georgien leben (2. Dezember). Ich bedauere, meine Freunde, Sie haben das Recht  Ihre Landsmänner zu belehren, wie die Georgier im allgemeinen  ihren Internationalismus zeigen können, und ein Ausländer wie ich kann die nicht-kartvelischen Völker Georgiens mit Ihren eigenen Wörtern ansprechen, aber wenn Sie es auf sich selbst nehmen um sie in dieser Art und Weise anzusprechen, hören sich Ihre Worte für mich viel mehr wie unangenehmer NATIONALISMUS an.

 

Aber anscheinend gab es in Abchasien bereits im August 1988 Gespräche über die Unabhängigkeit, und, wenn das so ist, müssen wir schließen, dass diese Reaktion durch die Frage nach Georgiens eigener Unabhängigkeit, die letztes Jahr zuvor durch die nichtoffiziellen Gruppen, die in Tbilisi aktiv waren erhoben wurde und durch ihren gesammelten Aufschrei "Georgien für die Georgier!" zustande gebracht wurde.

 

Kein Zweifel an diesem Punkt werden Sie mich mit der Frage unterbrechen wollen: "Fein, aber warum sollten die Abchasen wegen all diesem explodieren?" Und mit gerade dieser Frage haben wir das Grund des Problems erreicht.

 

Meiner Erfahrung nach herrscht unter den Georgiern eine außerordentliche Unkenntnis über die Abchasen und die Geschichte Abchasiens. Zum Beispiel, wie oft sagten Georgier während den letzten 13 Jahren zu mir, dass obgleich die Abchasen georgisch sprechen könnten, sie sich absichtlich weigerten mit Georgiern georgisch zu reden - welch ein Unsinn! Kein Zweifel, es gibt Abchasen, die sich so benehmen, aber ich muss Ihnen sagen, dass die überwältigende Mehrheit der Abchasen KEIN georgisch spricht, und deswegen KÖNNEN SIE SICH NICHT mit Georgiern oder anderem auf georgisch unterhalten. Als ich den obenerwähnten Artikel vorbereitete, fragte ich viele Abchasen nach ihrer Meinung über die Quelle ihrer gegenwärtigen negativen Haltung den Georgiern gegenüber. Und, wenn ich Ihnen sage, dass das ihre Antwort war: " Die Politik von Tbilisi gegenüber den Abchasen hat  in den mittleren Jahren dieses Jahrhunderts begonnenen" werden Sie wahrscheinlich überrascht und außerstande sein, zu verstehen, woran die Abchasen dabei denken. Das ist das Problem und auch die potentielle Lösung. Im heutigem Klima von Glasnost wurden in Ihrer Presse viele bisher verborgene, unbekannte und entsetzende Tatsachen bezüglich der Verbrechen von Stalin und Beria ans Tageslicht gebracht. Aber bis jetzt habe ich nichts bezüglich des Versuchs Abchasien zu georgisieren gesehen, den Beria 1933 begann. Die schlimmste Periode dieser Kampagne waren die Jahre 1944-1953, als das Unterrichten des Abchasischen verboten und die abchasischen Schulen geschlossen wurden um durch georgische ersetzt zu werden, in denen den Schülern georgisch aufgezwungen wurde. Wenn das nicht linguistische und kulturelle Unterdrückung ist, dann verstehe ich die Bedeutung dieses Wortes nicht. Nach der Wiedereröffnung 1953 der Abchasischen Schulen, die bis 1944 existiert hatten, setzte sich die Unterdrückung von Abchasien fort, wenn auch auf einem weniger schweren Niveau, infolge deren die Geduld der Abchasen schließlich 1966/7 und erneut 1978 ausging. Denken Sie nicht, dass all dies Phantasien sind, die durch meine Bekannten ausgedacht wurden - 1985 gab der amerikanische Sovjetologe Darrell Slider im Journal "Central Asian Survey" eine ausführliche Beschreibung dieser Tatsachen. Ich bin überzeugt, dass das der Mehrheit von Ihnen völlig unbekannt sein wird. Und so flehe ich ernsthaft die neue georgische Regierung an, den Inhalt des Artikels von Slider so bald wie möglich in ganz Georgien  zu offenbaren. Dann wird es den Georgiern genau so klar werden, wie es mir bereits ist, dass was in Abchasien von 1933 an   stattfand, eine genaue Reflexion der Politik der russifizierung, die überall in Georgien durch Das zaristische Russland im 19. Jh. stattfand, darstellt. Und wenn die heutigen wohlbekannte Gefühle der Georgier den Russen gegenüber ihren Ursprung  im 19. Jahrhundert haben, dann sollte es doch vollkommen verständlich sein, warum die Abchasen sich so sehr vor den Georgiern und vor georgischer Unabhängigkeit fürchten, da es nur 40-50 Jahre her war, dass die Regierung in Tbilisi (unter Kandid Charkviani und dann Akaki Mgeladze) ihre kulturelle Vernichtung versuchte? Es scheint sogar, dass es Pläne gab, alle Abchasen nach Zentralasien zu deportieren, wie vorher mit dem Tschetschenen, Inguschen und Mescheten verfahren wurde. Wäre es doch nur so, dass die Georgier die traurige Geschichte des westlichen Georgiens in der Mitte dieses Jahrhunderts lernen könnten, dieses unbestreitbare Verbrechen anerkennen, sich bei den Abchasen entschuldigen und sich dann mit ihnen  in Harmonie hinsetzen würden, damit Sie zusammen die Zukunft ganz Georgiens verbessern könnten! Als die abchasischen Schulen geschlossen wurden, wer führte die georgische kommunistische Partei an?     - Kandid Charkviani. Er scheint noch zu leben, und er würde (endlich) eine sehr würdige Tat durchführen, wenn er freiwillig vor den Abchasen aufstehen würde, um sich persönlich für seinen Teil in diesem Wirken zu entschuldigen.

 

Aber die Versöhnung der Abchasen mit den Georgiern wird nicht verwirklicht, wenn ich Sie, die Georgier nicht von einer anderen schmerzlichen Tatsache überzeuge, nämlich dass die Abchasen es nicht als nötig betrachten,  georgisch zu lernen, und auch das ist   für mich ziemlich natürlich . "Wie kann es für jemanden, der in Georgien lebt, nicht wichtig sein georgisch zu können?", ist die Frage, die Sie mir entgegenschleudern werden. Und Sie werden sich sicherlich  für eine Unterstützung an die Statistiken wenden, die zeigen, dass Georgier 1979 43% der Bevölkerung von Abchasien darstellten. Aber ich muss eine Gegenfrage stellen: "wer sind diese "Georgier"?", Fast ohne Ausnahme sind sie Mengrelier, und die Muttersprache des Mengrelier (nicht Mutter-Dialekt) ist mengrelisch - es stimmt, die Mehrheit spricht auch georgisch, aber es ist ihre Zweitsprache (russisch ihre dritte). Und wenn, vom Gesichtspunkt der Kenntnis von Sprachen, Internationalismus von Abchasen gefordert werden soll, dann kann ich Ihnen mit den Nachrichten zujubeln, dass, wo Mengrelier und Abchasen zusammen im gleichen Dorf leben,  die Abchasen außer abchasisch und russisch auch die Hauptsprache ihrer Nachbarn, Mengrelisch sprechen - bedauerlicherweise kann das Gleiche nicht von den Mengreliern gesagt werden, wenn es um die Kenntnis des Abchasischen geht. Das bedeutet, dass, grob gesagt, südlich von Suchum die Abchasen dreisprachig sind, wohingegen sie  nördlich von Suchum zweisprachig sind (abchasisch und russisch), da hier eher wenige Mengrelier leben, und diese weit verteilt sind. Ein Mann wird so viele Sprachen lernen, wie es für das tägliche leben für ihn notwendig ist, und es bleibt eine Tatsache des Lebens (ob es Ihnen gefällt oder nicht), dass es vollkommen machbar ist in Abchasien zu leben, ohne georgisch zu lernen. Meine lieben Leser, können  Sie es nicht verstehen, dass Sie bei den Abchasen keinen Respekt  und keine Liebe Ihnen selbst und Ihrer Sprache gegenüber einimpfen werden, wenn Sie sie überschwemmen und ihnen Ihre Sprache aufzwingen? Als ein Sprachwissenschaftler muss ich Ihnen sagen, dass es keine Übertreibung ist zu sagen, dass abchasisch dem Aussterben nahe ist, und wenn Sie (Georgier) daran scheitern, angebrachte Maßnahmen zu ergreifen, um das Lernen und den Gebrauch des abchasischen zu garantieren, dann wird es nach wenigen Generationen, genau wie seine Schwester-Sprache, das ubychische, verschwinden. Übrigens, wenn es mir erlaubt ist, meine Nase in diese Angelegenheit zu stecken, wie sollen wir das Überleben des swanischen und auch des mengrelischen sichern?

 

Leider kann ich meinen Brief nicht mit dem Angebot des Rates von vorhin beenden. Welche Artikel sind uns nach dem Treffen in Lykhny am Ende des Märzes in diesem Jahr durch das Organ der Intellektuellen Georgiens "Das literarische Georgien" angeboten worden? Es scheint, dass sie zuerst schnell in den Archiven herumstöberten und  zwei Arbeiten für ein Neuauflage ausgruben, die  zuerst vor ungefähr 10 Jahren veröffentlicht wurden, und die von zwei Russen geschrieben wurden, die die Abchasen und Abchasien ansprechen, in denen Materialien enthalten waren, die es verdienten getadelt zu werden. Aber was die Besprechung von Y. Voronovs kleinem Buch  "In der Welt abchasischer architektonischer Denkmäler" vonseiten A. Bakradze betrifft, ist es schade, dass sich der Autor etwas weit von seinem Hauptthema entfernt - welche Relevanz hat es, dass die abchasischen Christen auf georgisch beteten, und dass Kirchen in Abchasien mit georgischen Beschriftungen geschmückt sind? Lesen Sie, Freund Akaki, die Briefe von Don Giuseppe Giudice (Seiten 92-3), geschrieben im 17. Jahrhundert: " Obgleich die Mengrelische Sprache eine eigene Sprache ist, führen sie ihre Kirchdienste auf georgisch durch, genau wie die Europäer Latein  als Ihre Religionssprache betrachten" Das gleiche kann über die Abchasen gesagt werden, und keine andere Schlussfolgerung (vielleicht die von Bakradze bevorzugte?) ist erträglich, und das ist das Ende der Angelegenheit.

 

Der Antwort auf den abchasischen Brief zufolge, die vom Präsidium der Vereinigung von georgischen Schriftstellern geschrieben wurde, und in der Ausgabe vom 7. April veröffentlicht wurde, ist es klar, dass Ihre Schriftsteller entweder nichts über die Geschichte Abchasiens in den mittleren Jahren dieses Jahrhunderts wissen, oder bevorzugen diese zu ignorieren. Und in der selben Ausgabe versucht N. Lomouri  uns von der Ansicht zu überzeugen, dass das Volk, das heute dieses Ethnonym trägt nichts mit dem historischen abchasischen Königreich zu tun habe, da in dieser Zeit die heutigen Abchasen Apsarni genannt wurden. Schließlich wurde in der Ausgabe  vom 21. April der schmachvollste Brief veröffentlicht, der bisher erschienen ist, und der von einem gewissen Rostom Chxeidze zusammengestellt wurde. Dieser Artikel prüft das 4. Kapitel von Giorgi Merchule von Pavle Ingoroqva , welcher von der Geschichte und den Ortsbezeichnungen Abchasiens handelt und die Etymologie des Ethnonyms Abchase analysiert (die bessere Bezeichnung wäre "pervertiert"). Sobald es 1954 herauskam erhielt dieses Kapitel dieses Buches scheinbar die Kritik, die es verdiente, aber jetzt lobt es Chxeidze zum Himmel, verlangt die akademische Rehabilitierung von Ingoroqva, und verkündet laut, dass die wohlbegründeten Gedanken dieses "wahren georgischen Gelehrten" überall in Umlauf gebeacht werden sollten. Was war es, das Ingoroqva im Grunde versucht zu beweisen?

 

In der Geschichte gab es anscheinend zwei Gruppen, die als Abchasen bezeichnet wurden - die ersten waren anscheinend ein kartvelisches Volk, und während eines halben Jahrtausends, bis zum 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung nannten die Griechen sie Moskhi, das heißt dass jeder andere Historiker (sowie die georgische Enzyklopädie) im Unrecht ist, wenn sie behaupten, dass dieser Stamm als die Mescheten aus dem Südwesten   Georgiens verstanden werden sollte. Die Bezeichnung Abchase, so scheint es, stellt eine dialektische Variante des Wortes Moskhi dar. Liebe Leser, auf der Grundlage von solch einer schwachen Annäherung an Etymologie könnte ich Sie in dieser Minute davon überzeugen, dass auch London eine alte georgische Stadt ist! Dieser kartvelisch sprechende Stamm  wohnte anscheinend  bis zu einem nicht spezifiziertem Datum im 17. Jahrhundert in Abchasien, diese Tatsache wird durch Evliya Chelebis Buch der Reisen, das 1641 geschrieben wurde bewiesen, wo wir laut Ingoroqva lesen können: Die Hauptrasse in Abchasien sind die Tschatsch, die die gleiche mengrelische Sprache sprechen, die   auf der anderen Seite des Phasis verwendet wird (Giorgi Merchule S.133). 1971 veröffentlichte Giorgi Puturidze die georgische Übersetzung des Buches von Chelebi und also haben wir jetzt die Möglichkeit  den Chelebi -Text mit der verachtenswürdigen Verzerrung Ingoroqvas zu vergleichen: Unter den Stämmen, die das Land Abaza bewohnen lebt ein Stamm, Tschatsch. Untereinander sprechen sie AUCH mengrelisch, da das ganze Land gegenüber dem Fluß Phasis Mengrelien ist (S.100). Es ist klar, dass sie ABGESEHEN VON ABAZA auch mengrelisch sprechen, und, wenn Sie die Beispiele von Abaza auf S.107 betrachten, sehen Sie, dass die Sprache, um die es geht nicht Abaza aber Abchasisch ist (Abaza ist im Türkischen die gemeinsame Bezeichnung für die Abchasen und die Abasiner, die ein und dieselbe Sprache in dialektischen Varianten sprechen), genau wie die Sprache, die Chelebi als Sads-abchasisch bezeichnet  in  Wirklichkeit ubychisch ist. Es ist unklar, wann und woher das heutige Nordwestkaukasischen Abchasen nach Ingoroqvas Meinung nach Abchasien kamen, obgleich (und hier borge ich mir die Phrase eines wirklichen georgischen Experten in diesem Zusammenhang), "entsprechend dem Unsinn, den ungebildete Menschen hervorbringen" ereignete sich dieser Vorfall im 17. Jahrhundert. Ingoroqvas sehr umfangreiches Buch erschien 1954; es wurde im Juli 1951 für die Schriftsetzung bereitgestellt. Wie lange wird es gedauert haben, um ein Buch von über 1.000 Seiten zu schreiben? Lassen Sie uns von ungefähr von fünf Jahren ausgehen. Jetzt beginnt uns einiges klar zu werden: wenn wir die Tatsache erkennen, das Ingoroqva anscheinend das Schreiben dieses Unsinnes  gerade zu der Zeit begann, als Abchasien die heftigste Unterdrückung unter den georgischen Behörden erlitt, dann denke ich, dass dies kaum als Zufall zu betrachten ist.

 

Für den, der Augen hat sind die Tatsachen klar zu erkennen. Das griechische Ethnonym Abazgioi (Land = Abazgia),  das erstmals im 1. Jahrhundert bezeugt ist, kommt von der Selbstbezeichnung der Abasiner "Abasa", genau wie die lateinischen Bezeichnung gens Absilae von der abchasischen eigenbezeichnung Apswa (Apsua) stammt. In diesen Bezeichnungen, sollte die Quelle für das georgische Ethnonym Apxazi (Abchasi) gesucht werden. Man kann in seiner Freizeit darüber debattieren, wer die Kerketai, Heniokhoi, Akhaioi waren, oder nicht waren. Es waren örtliche Bewohner, die von griechischen Verfassern in den 500 Jahren vor unserer Zeitrechnung erwähnt wurden.

 

Auf der Konferenz, die anlässlich der Feier des 100. Geburtstag von Akaki Shanidze organisiert wurde, lasen ich und ein mengrelischer  Kollege, M. Cikolia, Artikel vor, die sich mit dem linguistischen Einfluss des Abchasischen auf das Mengrelische beschäftigten, und ich habe seit dem einen anderen Artikel zu diesem Thema für eine Veröffentlichung in Paris vorbereitet. Desweiteren schlug Simon Dzhanashia vor einigen Jahren vor, dass das mengrelische Gegenstück zur georgischen  Konjunktion rom, nämlich ni  von der  abchasischen absoluten Endung geborgt sein könnte. Heute, wie ich bereits angemerkt habe, sprechen die Mengrelier kein Abchasisch, und wir sahen in einem weiteren Zeugnis des 17. Jahrhunderts, dass es sogar damals eher der Fall war, dass Abchasen mengrelisch sprachen als umgekehrt. Und so muss man sich fragen: Wann hatten die Mengrelier ausreichende Kenntnisse des Abchasischen, um in der Lage zu sein   Abchasische Syntax (und vielleicht Morphologie) zu borgen?. Meiner Meinung nach müssen wir eine Zeit in der Geschichte suchen, als die Abchasen eine vorstehendere Rolle in der lokalen Politik und Kultur spielten, als heute. Ich nehme nicht an, dass diese Periode das Königreich Abchasiens gewesen sein könnte auf das oben angespielt wurde, oder doch?!

 

Möglicherweise möchten Sie wissen, warum ich, nachdem ich ständig die Artikel erwähnt habe, die im literarischem Georgien veröffentlicht wurden, diesen Artikel bei einer anderen Zeitung eingereicht habe. Die Tatsache ist die, indem sie die Artikel von Chxeidze und anderen zur Veröffentlichung annimmt hat die Redaktion dieser Zeitung das Vertrauen dieses bestimmten Lesers vollständig verloren, und wenn die Mitglieder des Ausschusses denken, dass Kapitel 4 des Buches von Ingoroqva der Standard für moderne georgische Gelehrsamkeit werden soll, dann berauben sie georgische Gelehrsamkeit jedes zukünftigen Renommees und des Respekts; sie entfernen auch die georgischen Leute vom Ruhm, den sie in der Welt reichlich verdient haben, und in welchem sie mit Recht Stolz auf ihren Großmut und ihren Gerechtigkeitssinn sind. Zur Unterstützung dieser Ansicht, werfen Sie einen Blick auf die Ausgabe von 28. April, in dem zwei Briefe veröffentlicht sind. Die nicht-abchasischen Autoren, die in Abchasien wohnen, versuchen die Georgier hinsichtlich der Abchasen zu beruhigen. Was machte die Redaktion? Sie fügte den Briefen einen langen Kommentar an um ihre Leser zur  wahren Zusammenfassung zu führen, dass man den Autoren nicht zutrauen könne, eine angemessene Einschätzung der Situation darzustellen, obwohl  meiner Meinung nach beide Briefe  nichts anderes als die freundlichste Art im Versuch die Gemüter zu beruhigen darstellten. Wenn die Redaktion ausreichendes Vertrauen in die Intelligenz seiner Leser hat, warum war es notwendig solch einen Kommentar hinzuzufügen? Und, wenn ich das der Redaktion sagen kann, wenn Sie keine Georgier gesehen haben, die russisch sprechenden Abchasen (oder russisch Sprechern generell) den Rücken zudrehten, dann müssen Sie mit geschlossenen Augen durch die Strassen und Läden Tbillisis gelaufen sein! (Dieser Punkt wurde in einem der Briefe angesprochen, und von der Redaktion als Unsinn abgetan).

 

Genug, es ist nicht meine Absicht, die Flammen des Hasses zu schüren. Ich wünsche mir nur, dass dieses traurige Feindschaft, die zwischen zwei Völkern existiert, aufhört . Und, es sei denn ich betrachte die Umstände zu naiv, ich denke, dass ich eine Lösung gefunden haben könnte. Was haben Sie zum Verlieren, meine georgischen Leser, wenn Sie nur ein weiteres Verbrechen erkennen, das durch Stalin und Beria begangen wurde und und sich dafür entschuldigen, da es in Ihrem Namen getan wurde? Absolut nichts, und was für ein prachtvoller Preis gewonnen werden könnte. Es gibt mehr Dinge, die sie mit den Abchasen vereinen, als Sie von ihnen unterscheiden. Ziehen Sie Nutzen aus dem, was Sie gemeinsam haben, und, bevor noch mehr unschuldiges Blut in Georgien verschüttet wird, legen Sie die Differenzen mit ihren Brüdern bei , da durch diesen Konflikt nur den Interessen Ihrer Feinde gedient wird.

 

GEORGE HEWITT

 

Mai 1989